Chronik in Kurzform
Nach der Lockerung des 1878 beschlossenen Gesetzes „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ erlebten um die Jahrhundertwende die Sozialdemokraten großen Zulauf. Bei den Reichstagswahlen von 1912 wurde die SPD mit 110 Abgeordneten (von 337) die stärkste Partei des Reichstages. In dieser Zeit versuchte die Partei auch auf dem konservativen Land Fuß zu fassen. Dies musste behutsam geschehen um, die Bevölkerung nicht vor den Kopf zu stoßen.
Nun erlebte damals das Fahrrad seinen ersten Höhepunkt. Es brachte Beweglichkeit und damit ein Stück Freiheit mit sich. Was lag also näher, als über so genannte „Radfahrervereine“ sein politisches Gedankengut unter die Leute zu bringen. So wurde zu Beginn des Jahres 1912 hier ein sozialdemokratischer Radfahrerverein „Solidarität“ (Einigkeit) gegründet.
Um dieser sozialdemokratischen Gesinnung entgegenzuwirken, veranlasste der damalige Ortspfarrer Moser die Gründung eines Radfahrervereins „Concordia“ (Eintracht). Die Gründungsversammlung fand am 14. Juli 1912 im Gasthaus „Engel“ statt. Hauptredner waren die Vertreter des „Deutschen Rad- und Motorfahrerverbandes“ aus Freiburg und Offenburg, die vor allem auf die Vorteile einer solchen Vereinsgründung in Bezug auf Unfall-, Invaliditäts- und Haftpflichtversicherung eingingen.
Es muss eine turbulente Sitzung gewesen sein, denn die Mitglieder der Solidarität waren vollzählig erschienen und hatten ihrerseits ihren Gau- und Bezirksleiter mobilisiert. So lesen wir im Gründungsprotokoll: „Die Mitglieder des Radfahrervereins Einigkeit haben sich während dieser Versammlung sehr ungebührlich aufgeführt, so dass dieselben mehrmals zur größeren Ruhe ermahnt werden mussten.“ Es war wohl der Anwesenheit von Pfarrer Moser zu verdanken, dass die Zusammenkunft dann doch noch zur Gründung eines neuen Vereins, nämlich des “Radfahrervereins Eintracht”, dem sich 16 Mitglieder anschlossen, führte. Zu den ersten Aufgaben des Vorstandes gehörten, neue Statuten zu erarbeiten und den Verein mit Leben zu erfüllen.
Vor dem Ersten Weltkrieg blieben die Aktivitäten des Vereins und das Interesse der Bevölkerung gering. Bemerkenswert wäre die im Gründungsjahr in Zusammenarbeit mit dem damals bestehenden Gesangverein „Frohsinn“ durchgeführte Weihnachtsfeier mit „Gabenverlosung und komischen Vorträgen“.
Nachdem zu Beginn des Ersten Weltkrieges die Vereinsarbeit ruhte, erfolgte dessen Wiederbelebung im Januar 1920. Bei erhöhter Mitgliederzahl widmete sich nun der Verein neben den sportlichen Betätigungen wie der Teilnahme an Bezirksfesten auch den geselligen Veranstaltungen wie Hammeltanz, Preiskegeln, Preisschießen und vor allem den Theater-aufführungen zur Weihnachtszeit.
Als erstes größeres Theaterstück wurde 1925 „Grab auf der Heide“ mit großem Erfolg aufgeführt. Diese Theatertradition endete 1961 mit dem Stück „Das Wunder im Tannengrund“.
Ein Höhepunkt im Vereinsleben war das am 09.06.1929 abgehaltene Bezirksfest, welches mit der Fahnenweihe verbunden war. Im Anschluss an den Festzug wurde auf dem Festplatz vor dem Gasthaus Engel die neue Fahne feierlich enthüllt und von Dekan Moser geweiht.
Die Fahne zeigt auf der einen Seite das Symbol des Vereins, einen Radfahrer, auf der anderen Seite den Kirchenpatron, den hl. Erzengel Michael. Der Name des Vereins, Eintracht, ist versinnbildlicht durch verschlungene Hände. Die Fahne trägt den Wahlspruch „Fröhlichkeit, Freundschaft, Frömmigkeit, Friede“. Noch heute begleitet diese schöne und wertvolle Fahne den Verein bei allen weltlichen und kirchlichen Veranstaltungen und bei allen freudigen und traurigen Ereignissen.
In den nun folgenden Jahren lag das Schwergewicht der Vereinsarbeit auf den Wanderfahrten, bei denen unter großer Beteiligung weite und beschwerliche Strecken zurückgelegt wurden. So führte z.B. eine Wanderfahrt im Jahre 1932 nach Freudenstadt, das Murgtal hinunter, über die Schwarzenbachtalsperre wieder hinauf auf die Höhe, dann über das Bühlertal und Offenburg zurück nach Fischerbach.
Während des unheilvollen Zweiten Weltkrieges kam auch die Vereinsarbeit weitgehend zum Erliegen. Die meisten Mitglieder waren an der Front und viele kamen nicht zurück.
Im Jahre 1950 nahm der Verein mit 40 Mitgliedern und neuen Statuten seine Arbeit wieder auf. Bald jedoch verlor das Fahrrad durch die aufkommende Motorisierung seine Anziehungskraft. Der Verein stellte sich dieser Herausforderung und gab sich 1953 den Namen “Rad- und Motorradsportverein”.
Durch Motorradtouren und eigene Motorsportfeste konnten die Mitgliederzahlen gehalten, ja sogar beträchtlich erhöht werden. Im Jahre 1959 setzte man die Motorsportfeste wegen mangelnder Teilnahme wieder ab, denn nun stand das Auto im Vordergrund. Diesen Wünschen trug man Rechnung und nahm 1963 erneut eine Namensänderung in den Namen „Rad- und Motorsportverein“ vor.
Für die Autofans wurden organisierte Wanderfahrten durchgeführt, deren Ziele vor allem in Österreich und in den Dolomiten lagen.
Die Benzinpreiserhöhungen in den siebziger Jahren führten zur Aufgabe der großen Wanderfahrten. An deren Stelle traten Bildsuchfahrten. Man besann sich auch wieder des Fahrrades und vor allen Dingen der Wanderstiefel. So wurde im Jahre 1975 eine Wanderabteilung ins Leben gerufen, welche unter sachkundiger Führung jährlich eine Reihe von Wanderungen durchführt, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreuen.
Um die immer größer werdenden Aufgaben des Vereins auch finanziell zu sichern, begann man im Jahre 1959 mit der Abhaltung von Sommerfesten, die heute zum festen Programm des Vereins gehören. Seit 1994 gehört das Handwerkervesper am Montag zum Festprogramm dazu.
Zu einem Fest der ganzen Gemeinde wurde 1962 das 50-jährige Vereinsjubiläum, welches in Verbindung mit dem Bezirksfest drei Tage lang gefeiert wurde. Beim Festakt zeigten der zweimalige Weltmeister im Kunstradfahren, Heinz Pfeiffer, und der deutsche Jugendmeister, Willy Eichin, ihr ganzes Können. Am Sonntag säumten über 2000 Zuschauer die Straßen und sahen dem Festkorso der 21 Gastvereine zu. Als einziges, damals noch lebende Gründungsmitglied wurde Herrn Johann Kohmann, Eschau, für seine Treue die große goldene Ehrennadel ausgehändigt.
Zehn Jahre später feierte man in bescheidenerem Rahmen das 60-jährige Jubiläum. Beim Festakt im Gasthaus „Ochsen“ wurde die neue Vereinsstandarte für Radsportfeste vorgestellt.
Das 75-jährige Jubiläum feierte der Verein im Juli 1987. Erstmals wurden die Bezirksmeister-schaften des Bezirks IV im 1er Straßenrennen ausgetragen. Am Samstagnachmittag kämpften die Rennradler von Schüler bis Amateure um die Platzierungen. Der Sonntag begann mit einem Fest-gottesdienst. Nachmittags führte ein großer Korsoumzug mit 42 Vereinen durchs Dorf. Am Montagnachmittag fand ein abwechslungsreiches Kinderprogramm statt und mit einem Tanzabend wurde das Fest beendet.
Am örtlichen Gemeindeleben beteiligt sich der Verein seit Mitte der 80er Jahre mit dem Legen eines Blumenteppichs an Fronleichnam.
Der seit 1996 organisierte Rad Basar findet große Resonanz bei der Bevölkerung.
Um auch die Jugend anzusprechen, wurde 1969 eine Jugendgruppe gegründet. Diese Gruppe sah ihre Aufgabe darin, jungen Vereinsmitgliedern ein buntes Freizeitprogramm zu bieten, was regen Zuspruch fand. Die Gruppe erbaute sich in Eigenregie beim Löchlehof eine Vereinshütte und hielt 1972 ein erstes Hüttenfest ab. Seither ist dieses Hüttenfest am Himmelfahrtstag fester Bestandteil der Jugendarbeit und dient der Finanzierung des vielfältigen Freizeit- und Sportprogrammes.
Ende der 80er Jahre kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass mit den angebotenen Aktivitäten die Jugendlichen nicht mehr angesprochen werden. Schweren Herzens wurde die Gruppe 1988 aufgelöst. Es galt nun neue Wege zu finden, um junge Leute für den Verein zu gewinnen.
Nach einigen Mitgliederversammlungen wurde 1990 beschlossen, eine Kunstradsportgruppe zu gründen. Durchschnittlich 25 Kinder und Jugendliche werden seither in dieser Sportart trainiert und betreut. Bis heute nehmen unsere Sportler erfolgreich an Pokalturnieren oder Bezirks-, Landes- und Deutschen Meisterschaften teil.
Die 1995 gegründete Mountainbike Gruppe „Ritzelrocker“ hat bei allen Altersgruppen einen sehr großen Zulauf. Die wöchentlich stattfindenden Touren werden in verschiedenen Schwierigkeitsstufen angeboten. Nach kurzer Zeit bildete sich hieraus eine Kinder- und Jugendgruppe, die „Ritzelrocker-Kids“.
Zum Tischtennis spielen treffen sich seit 1996 regelmäßig Jugendliche und Erwachsene in ihrer Freizeit.
1997 bildete sich eine Frauengymnastikgruppe, die auch den Wünschen und Bedürfnissen der mittleren bis älteren Generation entspricht.
Zur Abrundung der Angebote für Kinder und Jugendliche entstand 2002 die Jazztanzgruppe. In zwei Altersstufen studieren die Mädchen anspruchsvolle Tänze ein und treten regelmäßig bei örtlichen Veranstaltungen auf.
So werden heute etwa 100 junge Sportler im Verein trainiert und betreut. Auch außerhalb der Trainingszeiten werden viele Aktivitäten angeboten. Als absolutes Highlight ist das jährlich stattfindende Zeltlager zu nennen.
Ein Umdenken der Gesellschaft in Bezug auf Umwelt und Klima sowie die neuen Gestaltungsmöglichkeiten in der Freizeit mit dem „Rad“ bescherte unserem Verein einen enormen Mitgliederzuwachs. Durch diesen Wandel wurde 2003 eine erneute Namensänderung von „Rad- und Motorsportverein“ in „Radsportverein“ beschlossen.
In den vergangenen 100 Jahren ist es der jeweiligen Vorstandschaft gelungen, für seine Mitglieder ein zeitgerechtes und ansprechendes Vereinsangebot zu finden. Diese Beweglichkeit war und ist ein Teil der Lebendigkeit des Vereins, welche sich zahlenmäßig von derzeit 415 Mitgliedern ausdrückt.
Chronik in Kurzform
- 1912 Vereinsgründung Radfahrverein
- 1929 Bezirksfest mit Fahnenweihe
- 1950 Wiederaufnahme der Vereinsarbeit nach dem 2. Weltkrieg
- 1959 Erstes Sommerfest
- 1953 Namensänderung „Rad- und Motorradsportverein“
- 1963 Namensänderung „Rad- und Motorsportverein“
- 1962 50-jähriges Vereinsjubiläum
- 1969 Gründung der Jugendgruppe
- 1972 60-jähriges Vereinsjubiläum
- 1972 Erstes Hüttenfest beim Löchlehof
- 1975 Gründung der Wanderabteilung
- 1987 75-jähriges Vereinjubiläum
- 1990 Gründung der Kunstradgruppe
- 1995 Gründung der Mountainbikegruppe
- 1996 Gründung der Tischtennisgruppe
- 1996 Erster Radbasar
- 1997 Gründung der Frauengymnastikgruppe
- 2002 Gründung derJazztanz-Gruppe
- 2003 Namensänderung in „Radsportverein”